Tina betreibt eine Pop-Up Location in Graz, Österreich und ist beruflich Fotografin, sowie Grafikdesignerin. Sie ist freiheitslieben, spontan und rastlos. Das kreative Chaos beherrscht ihren Alltag, dazu bildet ihre Zwillingsschwester den strukturierten Gegenpol. Minimalistisch, reduziert bezeichnet sie ihren Stil, da überrascht es nicht, dass ihre Motive bevorzugt, starre Objekte sind. Ihre Leidenschaft ist das Reisen in ihrem Bus an entlegene Orte, wo sie die Stille genießt, und ihre Energie auflädt. Dennoch erwecken die vergangenen zwei Jahre einen Drang nach Interaktion in ihr. Ich treffe die verträumte Realistin überraschend am anderen Ende der Welt wieder.
Im Januar 2022 sitzen wir während einer Dienstreise, auf einer Terrasse in Südafrika und blicken auf den Tafelberg. Es weht eine leichte Brise, wir trinken Wasser. Das Leben in Cape Town wirkt auf uns fast surreal, denn der Winter in unserer Heimat, ist noch immer von Lockdowns geprägt. Tina ist ebenso wie ich, über die Masse an Europäern in Südafrika erstaunt. Genauer betrachtet müssen einige auf der Flucht vor der harten pandemischen Realität sein. Sie stürzen sich förmlich in ihre südafrikanische Blase der Wohlhabenden, euphorisiert von Urlaubsgefühlen, eingesperrt in ihrem Sicherheitstrakt. Selten erlebte ich so eine Kontroverse wie hier, zwischen Armut und Reichtum, Aussichtslosigkeit und Freiheit, inmitten des Großstadtdschungels, umringt von den endlosen Weiten der Natur.
Unbefangen vom Kitesport spricht Tina mich auf Cape Town an. Das Mekka der Kitesurfer, Schmelztegel der Big Air Community und Host des King of the Air.
Tina: “Ich versteh einfach nicht, was daran Spaß machen soll? Fahren sich die Leute nicht über den Haufen? Da geh ich lieber auf den Berg, da habe ich meine Ruhe!”
Chris: “Kiten ist ein klassischer Lifestyle-Sport, hier geht es meistens ums Sehen und gesehen werden. Das Gewusel auf dem Wasser muss sehr chaotisch auf dich wirken. 😉 Es wird von Jahr zu Jahr auch immer voller, aber lass uns über etwas Schönes reden. Wie läuft deine Pop-Up Location?”
Tina: “Die läuft super, endlich habe ich meinen Wunsch erfüllt und einen Raum für kleine und große Ideen geschaffen. Jeder kann sich da verwirklichen und jeder ist da jederzeit willkommen auf einen Kaffee vorbeizuschauen.”
Chris: “Ich wusste nicht, dass du der Typ dazu bist, ich dachte immer, dass du die Einöde und Regenwetter magst. Klassisch skandinavisch! 😉“
Tina: “Jaja, schon, aber ich finde, dass während der Pandemie die Interaktion zwischen uns Menschen verloren ging. Wir müssen wieder an einem Tisch sitzen, so wie wir gerade und über Themen sprechen, die uns bewegen. Ich habe in meiner Selbstständigkeit lange am Küchentisch gearbeitet, das war mein Wohlfühlplatz, dieses Flair will ich jetzt anderen ermöglichen. Beim Kaffeetrinken kommen die Leute zusammen und es entstehen die kreativsten Ideen.”
Chris: “Ein wahrlich schöner Gedanke! Sobald ich wieder in Österreich bin, komme ich gerne für einen kreativen Austausch zu Besuch. Du reist gerne, ist das Lokal geschlossen, wenn die Chefin nicht da ist?”

Tina: “Die Chefin, haha, nein, wir sind drei Mädels, ein Keks und ein Bär. Die Damen können sich im Fika36 einstweilen ausleben! Der Raum soll als Hideaway, Photo & Design Studio benutzt werden und ist auch noch ein Concept Store. bei uns gibt es nicht nur Kaffee, sondern auch Keramik, eigens kreierte is-ma-wurscht-Pullis, Magazine, Naturweine und andere Kleinigkeiten zum mitnehmen. ” 😀

Chris: “Lass mich raten, der Bär serviert täglich ein Keks und die Damen dokumentieren das mit ihren Smartphones. Dann geht die Story viral und alle sind glücklich?” 😛
Tina: “Na genau… Nein, der Bär ist mein Hund und das Keks, der meiner Kollegin. Natürlich sind auch andere Hunde jederzeit willkommen!”
Chris: “Haha, gut, dass wir das auch geklärt haben. Lass uns über unser erstes Projekt sprechen, die RADICAL Artist Collab. Wir bei FLYSURFER wollten eine Geschichte mit den Boards erzählen und Personen vorstellen, mit denen wir zusammenarbeiten. Wie sind deine Motive entstanden?”

Tina: “Wie immer, die sind mir passiert. Ich fotografiere auf Reisen nichts Gezieltes, sondern spontan. Von überall ein bisschen was, meistens Details die andere nicht sehen. Ich möchte, dass meine Bilder noch einen echten Mehrwert haben. Lachende Gesichter und Glücksgefühle einzufangen gibt mir sehr viel zurück.”

Chris: “Aktuell sind Fotos nur einen Wisch am Smartphone wert. Ich ertappe mich gerne selbst dabei, wie ich extrem oberflächlich meine Likes verteile. Dabei ist es schön, wenn man sich die Kinderbücher, die unsere Eltern erstellt haben, immer mal wieder ansieht. Übrigens stimmt mich der alte Mann mit Regenschirm in der Mitte des RADICAL nachdenklich. Ich würde ihn gerne eine Frage stellen.”
Chris: “Einfach nur ein Phänomen unserer Generation, die weitgehend ohne Rücksicht auf diesem Planeten ihr Unwesen treibt. Du bist überzeugte Veganerin, reist bevorzugt in deinem Bus an entlegene Orte die menschenleer sind.”
Tina: “Das habe ich tatsächlich getan. Er schilderte von der Hektik, dem Lärm und der Verschmutzung durch die Besucher. Nachdem über einen langen Zeitraum keine zehntausend Touristen täglich durch die historische Altstadt Venedigs laufen, keine Kreuzfahrtschiffe vorbeifahren und auch die Touristenboote stillstehen, ist das Wasser auf einmal so klar wie seit 60 Jahren nicht mehr. Bedrückend.”
Tina: “Ich bin seit Jahren aus ethnischem Grund Veganerin. Außerdem habe ich nicht nur meine Eltern, sondern sogar die Oma von dieser Lebensweise überzeugt. Wenn ich nicht beruflich zum Fliegen gezwungen werde, dann fahre ich mit meinen vier Wänden (Bus) an Orte, wo ich autark und offline meine Zeit verbringen kann. Die Berge sind meist mein bevorzugtes Ziel, denn sie bedeuten für mich absolute Freiheit. Im Herzen bin ich wohl Almresi, haha.” 😀
Chris: “Ich tue mir nach wie vor ohne mein Schnitzel schwer. Mein Co2 Fußabdruck ist auch nicht der Kleinste, aber ich freue ich schon auf meinen Besuch im Fika36. Deshalb meine letzte Frage, was bedeutet Fika?”

Tina: “Vill du fika? Ist skandinavisch und bedeutet: Willst du Kaffee trinken. Fika ist die Kaffeepause. Ich zaubere dir dann gerne den Kaffee deiner Wahl… mit Hafermilch natürlich.” 😜

Ein paar Monate später stattete ich Tina schlussendlich einen Besuch im Fika36 ab und überreichte ihr eine Hardcopy unseres Projekts.

Tina Reiter Fika36aLovesomeJourney

Share This

Share This

Share this post with your friends!