Geschwindigkeit, Taktik und Nerven aus Stahl – das ist, was die Fahrer bei der Europameisterschaft am Mar Menor im Südwesten Spaniens über die gesamte Rennserie von sechs Tagen unter Beweis stellen mussten. Mit 137 Teilnehmenden aus 39 Nationen war dies nicht nur eine der internationalsten Europameisterschaften, die jemals im Kite-Racing ausgetragen wurde, sondern war für die Weltspitze der Auftakt in das Jahr, welches im Kitesurfen Geschichte schreiben wird. Mit den Olympischen Spielen am Horizont ist die Raceflotte motivierter denn je, die Grenzen des Sports weiter zu verschieben und härter zu kämpfen als jemals zuvor. Und das taten sie! 

Bereits der erste Tag sollte die Fahrer vor einige Herausforderungen stellen. Nachdem der Wind mittags einsetzte und die ersten Rennen der Saison bei 7-10kt gefahren werden konnten, zwang ein zwischenzeitlicher Winddreher und eine Brise von gerade einmal 3kt die Flotten zurück an Land. Doch das Racemanagement wartete geduldig, bis sich die Bedingungen erneut stabilisierten und weitere Wettfahrten ermöglichten.

Am Ende des ersten der drei Qualifikationstage, an dem alle Fahrer gleich stark auf zwei (Frauen) bzw. drei (Männer) Flotten aufgeteilt werden, waren es vor allem die Port-Starter, die die ersten Rennsiege einfahren konnten. Riccardo Pianosi (ITA) und Valentin Bontus (AUT) positionierten sich somit an der Spitze der Ergebnistabelle gleichzeitig mit einer soliden Performance von Poema Newland (FRA) und Gal Zuckerman (ISR) in der Frauenflotte.  

Wie von den verschiedenen Wettermodellen versprochen, wachten die Fahrer am zweiten Tag zu einer deutlich beständigeren Brise auf, sodass nach nur drei gefahrenen Rennen am Vortag nun fünf Wettfahrten auf dem Tagesmenü standen. Seine absolute Dominanz zeigt hier vor allem einer: Der 17-jährige amtierende Weltmeister aus Singapur, Maximilian Maeder gewann alle Rennen in Folge und legte damit den Grundstein für die Gesamtführung, die er bis zum allerletzten Tag nicht mehr abgeben sollte. Eine Präsentation von Geschwindigkeit und taktischem Gespür gab es allerdings auch bei den Damen.

Die Französinnen Newland, Kampman und Nolot wechselten sich weit vor ihren Verfolgerinnen mit Rennsiegen ab und bildeten die dominante Spitze der Ergebnisliste. Nach ihrer über fünfmonatigen Verletzungspause war es vor allem Jessie Kampman, die beeindruckte.

„Ich bin super glücklich nach so langer Zeit wieder auf dem Wasser zu sein und den Sport, den ich liebe, ausüben zu können! Ich habe mich in meinen ersten Sessions wieder gefühlt wie ein Anfänge. Umso besser, dass ich nun in so kurzer Zeit wieder zu meiner alten Geschwindigkeit gefunden habe.“  – Jessie Kampman

Der letzte Tag der Qualiserie sollte nun entscheiden, wer in der Goldflotte weiter um die vordersten Plätze kämpfen darf und wie gut man sich hier positionieren würde. Denn die rohen Punkte aus allen zwölf Qualirennen werden in die beiden Finaltage mitgenommen. Der über die Woche zunehmende Wind bedeutete dabei für die Fahrer, nun auch ihr Können auf den kleinsten Kites von 11 bzw. 9m² unter Beweis stellen zu müssen. Bei den wellenarmen Bedingungen auf dem lagunenartigen Mar Menor wurde am dritten Wettkampftag somit geschwindigkeitsmäßig die Schallmauer durchbrochen. Geschwindigkeiten von an die 40 Knoten (~75km/h) waren keine Seltenheit und die mit Abstand schnellste Olympische Wasserdisziplin zeigte sich von ihrer actiongepackten besten Seite.

Am Ende des Tages waren es zwar vor allem die üblichen Verdächtigen Maeder und Nolot, die auf Goldkurs bleiben sollten, aber auch andere Gesichter, denen die rauheren Bedingungen lagen. So konnten beispielsweise Elena Langwiler (SUI) und Dor Zarka (ISR) mit ihren Ergebnissen zeigen, dass auch mit Nationen, die ihr Nationenticket für Olympia noch nicht eingelöst haben, zu rechnen ist. 

Mit dem Start in die Finalserie der letzten beiden Tage erwies sich der Wettergott noch einmal als freundlich gesinnt. Zwei volle Tage mit konstanter Ostwind-Brise zwischen 12 und 18 Knoten machten die Rennen zu einem absoluten Speed-Battle. Nahezu punktgleich kämpften Axel Mazella (FRA), Riccardo Pianosi (ITA) und Connor Bainbridge (ENG) mit Maximilian Maeder (SGP) um den direkten Einzug ins Finale der Medal-Races am Super-Sonntag. Packende Führungswechsel und ein Fehler im Scoring System, der die Platzierungen der drei Verfolger durcheinander würfelte, machte es bis zur letzten Sekunde spannend, wer den zweiten Platz füllen würde. Am Ende war es Axel Mazella, der das zweite Ticket direkt ins Finale buchen konnte.  

Bei den Damen führten die drei Französinnen ihre Dominanz fort und teilten die Rennsiege aus sieben der acht Rennen unter sich auf. Hierbei zählten vor allem eine schnelle Linie auf die linke Kursseite und im Anschluss eine freie Wende in Richtung Luvtonne. Der achte Rennsieg ging an die aktuelle Europameisterin Ellie Aldridge (GBR), die zwar mit ihrer einzigartigen Technik konstante Ergebnisse in den Top 5 einfahren konnte, aber sich oftmals in der ersten Runde weiter hinten im Feld wiederfand und somit viele Aufholjagden zu schlagen hatte.

„Die Bedingungen hier sind alles andere als einfach. Es ist zwar kaum Welle auf dem Rennkurs, aber viel Ventilation am Foil macht es unglaublich schwer den maximalen Druck ins Foil zu geben, ohne zu crashen“ – Lauriane Nolot, amtierende Weltmeisterin

Dennoch bewiesen Nolot und Newland die größte Konstanz und konnten mit dem ersten und zweiten Platz direkt ins Finale der Medal-Races einziehen. 

Am Super Sonntag zeigte sich das Mar Menor noch einmal von seiner rauhesten Seite. Mit Windböen über 25 Knoten und einer leicht ablandigen Windrichtung ging es für alle Fahrerinnen und Fahrer der Top 10 darum, bei schwierigsten Bedingungen und höchsten Geschwindigkeiten fehlerfrei zu bleiben und die richtigen Linien zu treffen. Als größte Überraschung setzte sich die Schweizerin Langwiler in ihrem Halbfinale gegen Aldridge durch und zog zusammen mit Kampman aus dem anderen Halbfinale in die Finalrunde ein. Hier gewann Kampman sogar das erste Rennen, musste sich allerdings im zweiten Durchlauf trotz herausragender Downwind-Performance der Weltmeisterin Nolot geschlagen geben.  

Bei den Männern gab es gleich zwei Überraschungen: Trotz einer grundsoliden Performance konnte sich Connor Bainbridge nicht gegen den starken amtierenden Europameister Pianosi durchsetzen und verpasste das Finale nur knapp. Im anderen Halbfinale lieferten sich Bontus (AUT), Maus (GER) und Lobo (BRA) drei Rennen, aus denen letztendlich Lobo siegreich hervorging. Im Finale galt es nun für Maeder seine extraordinäre Performance von 18 aus 20 Rennsiegen an den ersten Tagen unter Beweis zu stellen. Am Start schien es erst, als würde Maeder eine konservativere Variante wählen, um keinen Frühstart zu riskieren, aber nach nur wenigen Sekunden hatte er die Lücke zu Mazella geschlossen. Innerhalb von nur drei Sekunden rundeten alle vier Finalfahrer die Luvtonne und schossen mit über 38 Knoten in Richtung Downwindmark, allen voran das junge Ausnahmetalent. Ab der Leetonne ging Maeder in den Matchrace-Mode über, wendete immer exakt auf Mazellas Linie und schaffte es, dem Gewinner des letztjährigen Testevents keine Überholmöglichkeit zu bieten. Mit seiner charakteristischen geballten Faust durchbrach Maeder schließlich nicht nur die Ziellinie, sondern sicherte sich einen weiteren Europameisterschaftstitel gefolgt von Axel Mazella (Silber) und Riccardo Pianosi (Bronze).

„Für mich ist es unglaublich spannend bei so schwierigen Bedingungen gegen die stärksten Racer der Welt anzutreten und mein Möglichstes zu geben. Aber vor allem hatte ich unglaublich Spaß bei der Sache!“ – Max Maeder

Mit diesen großen Worten verabschiedet sich der Gewinner des Events für eine Woche, bis es am 29. März bei der Princess Sofia Trophy auf Mallorca in den nächsten Worldcup geht.  

Schreibende Hand written by Jannis Maus
Kamera
photos by IKA International Kiteboarding Association / Robert Hajduk

 
 
Das FLYSURFER Team gratuliert allen Ridern zu einem phänomenalen Race Sportmedaille
Max Maeder
Riccardo Pianosi
Jessie Kampan
Laurianne Nolot
Poema Newland

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