Ein britischer Krimi – Herausfordernde Rennen auf dem Weg zu Gold
Verrücktspielende Winde, Strömung, Seegras – die historische Stadt Portsmouth in Großbritannien stellte die insgesamt 112 Fahrerinnen und Fahrer aus 28 Nationen vor so manche Herausforderung auf dem Weg zur Europameisterschaft. Der Fokus lag nicht nur auf den Siegern des Wettkampfes, sondern vor allem auf dem Nationenticket für die Olympischen Spiele 2024, das es bei der EM zu ergattern galt. Als Favoriten galten bei den Frauen vorwiegend Spanien, Polen und Österreich. Bei den Männern sollte der Wettkampf letztendlich zwischen Großbritannien, Deutschland und Polen ausgefochten werden.
Der Start des Wettkampfes verlief zunächst etwas holprig. Aufgrund eines großen Sturmtiefs, welches ein paar hundert Kilometer weiter in den Niederlanden für die Megaloop-Challenge genutzt wurde, mussten die ersten beiden Wettkampftage abgesagt werden. Windböen bis zu 51 Knoten machten sichere Rennen unmöglich, sodass der ohnehin schon große Druck auf den Fahrern abermals erhöht wurde. Anstelle von drei Qualifikationstagen wurde somit nur ein einziger Tag mit insgesamt fünf Rennen zur Aufteilung in Gold- und Silberflotte genutzt. Schon hier zeichnete es sich ab, dass es ein enges Battle werden würde, mit gerade einmal vier Punkten Unterschied zwischen den führenden drei Racern bei der Flotten.
In der sogenannten Finalserie, in der die Fahrer auf Gold und Silber aufgeteilt werden, sollte es vorrangig darum gehen, mit den zunehmend schwierigeren Bedingungen klarzukommen. Das dem Sturmtief nachlaufende Wetter führte nicht nur zu vielen Winddrehern auf dem Kurs, auch zunehmendes Seegras und stark variierende Windstärken machten es schwierig, die richtigen Materialentscheidungen zu treffen.
„Es ist schwierig zu entscheiden, durch einen Sprung das Seegras loszuwerden und dadurch wertvolle Meter zu verlieren, oder es einfach zu akzeptieren und etwas langsamer zu fahren“, so der Weltmeister von 2021 Theo de Ramecourt.
Den besten Mittelweg schienen die beiden Italiener Riccardo Pianosi und Lorenzo Boschetti zu finden – am Ende des Tages auf Platz 1 und 2 liegend. Bei den Frauen zeigten insbesondere Poema Newland (FRA) und Ellie Aldridge (GBR) eine starke Performance.
Der Wetter Forecast für den letzten Race-Tag vor den Medalraces zeigte einen sonnigen und stetig windiger werdenden Tag an, sodass alle Fahrerinnen und Fahrer noch einmal ihr Bestes abrufen wollten. Den Start machte die Goldflotte der Herren in noch sehr leichten, drehenden Winden. Hier waren es Jannis Maus (GER) und Riccardo Pianosi (ITA), die sich weit abgesetzt vor dem Rest der Flotte ein Kopf-an-Kopf Rennen lieferten.
„Auch wenn es das erste Rennen des Tages war, hat dieses Rennen einen Schalter in meinem Kopf umgelegt. Ich habe gesehen, dass ich Rennen gewinnen kann und unglaublich viel Zuversicht und Motivation aus dem Rennen gezogen“, so Maus (GER).
Mit einem Did Not Compete von Connor Bainbridge (GBR) und einem achten Platz von Martin Dolenc (CRO) war es nun wieder eine enge Kiste unter den Top 5 der Herren. Bei den Damen lieferten sich vor allem Newland (FRA) und Aldridge (GBR) im Führungskampf packende Rennen. Der Britin gelang außerdem ein Kunststück im vierten Rennen des Tages. Nach einem verpatzten Kite-Wechsel raste sie knappe 50 Sekunden nach allen anderen über die Startlinie und schaffte es, sich bis zur Ziellinie noch auf den dritten Platz vorzukämpfen. Eine außerordentliche Leistung, die zeigt, wie wohl sich Ellie auf ihren Heimatgewässern fühlt.
Am Super-Sonntag wachten die Fahrer ein weiteres Mal zu herausfordernden Bedingungen auf. Ein starker auflandiger Wind in Kombination mit ungünstigen Tidenzeiten bedeutete hohe, kurze Wellen und erneut viel Seegras für die besten Kite-Racer Europas. Im Halbfinale der Medalraces sollte sich entscheiden, wer einerseits ins Finale einziehen darf, und andererseits wer sich den Nationenplatz sichern sollte. Bei den Damen entschied Gisela Pulido Borrell (ESP) bereits im Halbfinale, ohne Einzug ins Finale, den Kampf für sich. Die Herren machten es hingegen noch spannender. Mit jeweils der Poleposition im Halbfinale waren es Bainbridge (GBR) und Maus (GER), die um den Einzug ins Finale und speziell um das Olympiaticket kämpften. Beide verpassten es, das erste Rennen für sich zu entscheiden, sodass eine zweite Halbfinalrunde darüber entscheiden sollte, wer ins Finale und welches Land somit nach Olympia fahren sollte. Bainbridge (GBR) verpasste auch seine zweite Chance, sodass Maxime Nocher (FRA) ins Finale einzog. Auf der anderen Seite bewies Maus (GER) Nervenstärke, wählte kurz vorm Start seinen 15er VMG und konnte durch diese Entscheidung allen anderen Halbfinalteilnehmern auf ihren 11er davonfahren. Im Finale waren es dann Riccardo Pianosi (ITA) und Ellie Aldridge (GBR), die ihr Können aufs Parkett brachten und die Europameisterschaft für sich entschieden.
Sowohl Gisella Pulido (ESP) als auch Jannis Maus (GER) zeigten sich nach den Rennen mehr als glücklich: „Auch wenn ich das Podium um einen Wimpernschlag verpasst habe, der Nationenplatz war, glaube ich, der weitaus wichtigere und schwierigere Part!“, so Maus (GER).
Ein Teil der Flotte startet nach einer langen und intensiven Wettkampfzeit in eine kleine Pause. Für den Rest geht es bereits nächste Woche bei der World Series am Traunsee weiter.
Glückwunsch an alle Athleten. Macht weiter so!
Team FLYSURFER